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Akute Schmerzen in Rücken und Lendenbereich können auf Bandscheibenvorfall hinweisen




Die meisten Menschen leiden im Laufe ihres Lebens zumindest zeitweise an Rückenschmerzen. Die Gründe dafür sind vielfältig. In den meisten Fällen stecken muskuläre Verspannungen, ausgelöst durch Fehl- oder Überbelastung des Rückens hinter den Beschwerden. Diese lassen sich durch gezielte Kräftigung der Muskulatur und Meiden der falschen Belastungen meist mildern. In selteneren Fällen können aber auch andere Ursachen wie ein Bandscheibenvorfall hinter den Schmerzen stecken. Daher sollten Rückenschmerzen ärztlich abgeklärt werden, um andere Erkrankungen auszuschließen. Treten Schmerzsymptome entlang einer Nervenwurzel auf, ist es wahrscheinlich, dass ein Bandscheibenvorfall Ursache für die Schmerzen ist.


Was sind die Bandscheiben und welche Funktion erfüllen sie normalerweise?


Bandscheiben sind Strukturen, die sich zwischen den Wirbelkörpern befinden. Während die Wirbelkörper selbst aus Knochen bestehen, sind die Bandscheiben aus einer Hülle aus Knorpel und einem gallertartigen Kern aufgebaut. Sie dienen als eine Art Stoßdämpfer zwischen den Wirbeln. Der Gallertkern (Nucleus Pulposus) hat einen hohen Wassergehalt. Über den Tag hinweg verliert der Nucleus pulposus einen Teil des Wassers. Dies geschieht im Zuge des Drucks des Körpergewichts in der aufrechten Haltung. Die Flüssigkeit wird sozusagen herausgepresst. Dadurch kommt es zu dem Effekt, dass der Mensch nach dem Aufstehen am Morgen ein bis zwei Zentimeter größer ist und im Laufe des Tages sozusagen schrumpft. Während des Liegens in der Nacht wird das Wasser anschließend wieder rückresorbiert. Der hohe Wassergehalt ist unter anderem nützlich, um den Druck zu verteilen.


Was passiert bei einem Bandscheibenvorfall?


Studien haben gezeigt, dass die Degeneration der Bandscheiben bereits ab dem dritten Lebensjahrzehnt beginnt. Dies führt zu einem Höhen- und Elastizitätsverlust. Der Faserring, der den Nucleus pulposus umgibt, wird rissig und so kann es dazu kommen, dass sich der Nucleus vorwölbt oder das hintere Längsband, das ihn vom Wirbelkanal trennt, sogar durchbricht. Dabei können sich auch abgestorbene Teile des Bandscheibengewebes ablösen. Verlagert sich Bandscheibenmaterial wie beschrieben nach hinten, können die im Rückenmark austretenden Nerven (Spinalnerven) gereizt oder sogar komprimiert werden. Bandscheibenvorfälle nach vorn bleiben hingegen symptomlos.


Bandscheibenvorfälle treten am häufigsten zwischen dem 30. Und 50. Lebensjahr auf. Durch einen mit zunehmendem Alter nachlassenden Expansionsdruck des Nucleus pulposus werden sie nach dem 50. Lebensjahr trotz fortschreitender Degeneration seltener.


Was charakterisiert den Rückenschmerz nach einem Bandscheibenvorfall?


Häufig sind die Schmerzen im Rücken stechend und setzen akut mit einem Belastungsereignis ein, können aber auch ohne erkennbaren Auslöser auftreten. Am häufigsten tritt ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbelsäule auf, wodurch die Schmerzen meist auch im Lendenbereich lokalisiert sind. Man spricht von einer Lumbalgie. Seltener sind Bandscheibenvorfälle in der Halswirbelsäule. Je nachdem, welche Bandscheibe betroffen ist, macht sich der Schmerz auf einer unterschiedlichen Höhe des Rückens bemerkbar. Die Rückenschmerzen bei einem Bandscheibenvorfall sind typischerweise radikulär, das heißt sie strahlen in das Gebiet aus, das von dem Spinalnerven versorgt wird, der durch die verrutschte Bandscheibe eingeklemmt ist. Je nach dem, in welchem Gebiet Schmerzen und möglicherweise auch Ausfallerscheinungen auftreten, kann auf die Höhe der Nervenläsion geschlossen werden. Zudem kann es in diesen Bereichen auch zu Sensibilitätsstörungen oder Lähmungserscheinungen kommen. Hierbei kann je nach Ausfallerscheinungen (sensibel, motorisch, Reflexminderung) ebenfalls auf die Höhe der Läsion geschlossen werden. Wenn das Gefühl in der großen Zehe nachlässt, kann man beispielsweise auf einen Vorfall der Bandscheibe des fünften Lendenwirbelsäulensegments schließen.


Bei einem Bandscheibenvorfall der Halswirbelsäule strahlt der Schmerz in den Arm und bei Bandscheibenvorfällen der Lendenwirbelsäule ins Bein aus. Da die verrutschte Bandscheibe in den meisten Fällen nur auf den Spinalnerv einer Seite drückt, treten die Beschwerden meist einseitig auf. Betroffene mit einem Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule und Ausstrahlung der Schmerzen ins Bein nehmen häufig eine Schonhaltung ein, indem sie das Bein entlasten und nach außen neigen. Die Schmerzen, die durch Bandscheibenvorfälle der Halswirbelsäule hervorgerufen werden und in den Arm ausstrahlen, werden durch Kopfbewegungen oder Zug am Arm verstärkt.


Welche Untersuchungen werden durchgeführt, um einen Bandscheibenvorfall feststellen zu können?


Zur Diagnostik eines Bandscheibenvorfalls wird eine neurologische Untersuchung durchgeführt, die eine Überprüfung der Sensibilität und der Muskelreflexe sowie Überprüfung der Muskelkraft beinhaltet.


Zusätzlich können Tests durchgeführt werden, die Aufschluss über die Auslösbarkeit des Schmerzes in bestimmten Positionen geben und auf eine Läsion der Nervenwurzel hinweisen. Dazu zählt der Lasègue-Test, bei dem der Patient auf dem Rücken liegt und der Untersucher das gestreckte Bein des Patienten anhebt. Tritt bei einem Beugungswinkel von 40–60 Grad im Hüftgelenk bereits ein schnell einschießender Schmerz im angehobenen Bein auf, ist das Lasègue-Zeichen positiv und ein Bandscheibenvorfall im Bereich der unteren Lendenwirbelsegmente mit Beteiligung des Ischias-Nervs wahrscheinlich.


Nicht jeder Rückenschmerz muss mittels apparativer Methoden abgeklärt werden. Bei Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall sollte jedoch zusätzlich zur klinischen Untersuchung eine apparative Diagnostik erfolgen. Am besten eignet sich dazu die Magnetresonanztomographie (MRT), mit der sich sowohl die Bandscheibendegeneration als auch der Bandscheibenvorfall darstellen lassen. Bestehen Gründe dafür, dass ein MRT nicht durchgeführt werden kann, beispielsweise aufgrund eines nicht MRT-tauglichen Herzschrittmachers, kann auch eine Computer-Tomographie gemacht werden.


Wie wird ein Bandscheibenvorfall behandelt?

90 Prozent der Bandscheibenvorfälle können konservativ, also ohne eine Operation behandelt werden. Die konservative Behandlung besteht in einer adäquaten Schmerztherapie mit dem Ziel der schnellen Wiederherstellung der körperlichen Aktivität. Für die akuten Schmerzen bei lumbalem Bandscheibenvorfall kann ein dreistufiges Therapieschema angewendet werden. Jede der drei Therapiephasen dauert in der Regel eine Woche. In der ersten Behandlungswoche stehen das Erreichen der Schmerzfreiheit und die Entspannung im Vordergrund. Dafür sollte der Patient Bettruhe einhalten und die Muskulatur durch Wärme entspannen. Zusätzlich werden muskelentspannende (z.B. Diazepam) und schmerzstillende Medikamente (z.B. Ibuprofen) gegeben. Im akuten Stadium ist von schmerzhaften Physiotherapie-Behandlungen abzusehen. Außerdem kann eine periradikuläre Therapie bei zwei von drei Patienten mit akuten lumbalen Beschwerden eine Schmerzfreiheit erzielen. Dabei wird CT-gesteuert ein Steroid (Triamcinolon) in den Bereich der betroffenen Nervenwurzel gespritzt. Ab der zweiten Woche können dann physiotherapeutische Maßnahmen angewendet werden. Ab der dritten Woche sollten entspannte körperliche Tätigkeiten mit dem Ziel der Kräftigung der Muskulatur ausgeübt werden, beispielsweise durch Rückenschwimmen.


Neben der konservativen Therapie stehen auch operative Methoden zur Verfügung, die angewendet werden, wenn auch trotz medikamentöser Therapie noch massive Schmerzen auftreten. Zudem muss in einigen Fällen notfallmäßig operiert werden, um ein Absterben des Nervs zu verhindern. Wann ist ein Bandscheibenvorfall ein Notfall?


Wenn der Schmerz plötzlich nachlässt und sich im Gegensatz dazu die Muskellähmung verstärkt oder neu auftritt, ist dies ein Warnzeichen, dass der Nerv abstirbt. In diesem Fall muss schnellstmöglich eine operative Dekompression des durch die Bandscheibe eingedrückten Nervs vorgenommen werden.

Im unteren Teil des Spinalkanals treten keine weiteren Nerven aus dem Rückenmark aus. In diesem Bereich verlaufen aber Nervenfortsätze in Form der Cauda Equina (Pferdeschwanz) und des Conus medullaris, dem untersten Teil der Nervenfortsätze. Schädigungen in diesem Bereich können bei Bandscheibenvorfällen unterhalb des zweiten Lendenwirbelkörpers auftreten und sind durch eine „Reithosenanästhesie“, also Ausfall der Wahrnehmung auf der Innenseite der Beine, sowie Darm- und Blasenentleerungsstörungen gekennzeichnet. Im Verlauf kann es durch eine weitere Schädigung der Nerven auch zu einer vollständigen Querschnittslähmung kommen. Dementsprechend stellt diese Sonderform des Bandscheibenvorfalls eine sofortige Operationsindikation dar.


Die Bandscheiben-Operation führt in der Regel zu Schmerzfreiheit. Rezidive sind allerdings sowohl bei Bandscheibenvorfällen der Hals- als auch der Lendenwirbelsäule häufig.


Kann man einem Bandscheibenvorfall vorbeugen?

Um das Risiko eines Bandscheibenvorfalls zu senken, ist es sinnvoll, die Rückenmuskulatur durch dosierte Belastung zu stärken. Es gibt beispielsweise Kurse zur Rückenschule, um Techniken des rückengerechten Lastenhebens zu erlernen und die Muskulatur zu kräftigen. So ist es für ein möglichst rückenschonendes Heben günstig, Lasten mit gestrecktem Rücken aus der Hocke zu heben und am Körper zu tragen. Häufig begünstigt eine dauerhafte ungünstige Haltung die Ausbildung von Rückenschmerzen. Insbesondere für längere Tätigkeiten am Schreibtisch sollte deswegen auf ein ergonomisches Sitzen geachtet werden (Gesundheit im Blick behalten).


Quellen:

Mumenthaler, M., Stöhr, M., & Müller-Vahl, H. (2007). Läsionen peripherer Nerven und radikuläre Syndrome. Georg Thieme Verlag.


ZICHNER, L. (1994). Spontanverlauf beim lumbalen Bandscheibenvorfall. Der Orthopäde, 23(3), 236-242.


Schultz, U., Köhler, D., Kütemeyer, M., & Stäbler-Lehr, A. (1988). Zum Spontanverlauf des Discusvorfalls beim lumbalen Wurzelkompressionssyndrom. Nervenarzt, 59(11), 661-668.


Goldberg, H., Firtch, W., Tyburski, M., Pressman, A., Ackerson, L., Hamilton, L., ... & Carragee, E. (2015). Oral Steroids for Acute Radiculopathy Due to a Herniated Lumbar Disk: A Randomized Clinical Trial. JAMA, 313(19), 1915-1923. http://jama.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=2293294




Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Hinweise und Beschreibungen zum Thema Bandscheibenvorfall. Er eignet sich nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung und kann einen Arztbesuch auf keinen Fall ersetzen.

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