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Bipolare affektive Störung: Gefühle zwischen den beiden Extremen Manie und Depression




Was ist eine bipolare Störung?


Die bipolare Störung gehört zu der Gruppe der Affektiven Erkrankungen, bei denen es zu Veränderungen der Stimmung und des Aktivitätsniveaus kommt. Die bipolare Störung oder bipolare affektive Störung wird auch als manisch-depressive Erkrankung bezeichnet. Bipolar affektiv heißt, dass es zu starken Stimmungsschwankungen kommt, bei denen die Gefühle zwischen den Extremen der euphorischen Hochstimmung (= Manie) und der niedergeschlagenen, gedrückten Stimmung (= Depression) schwanken.


Veränderungen betreffen neben der Stimmung:


  • Antrieb und Aktivität
  • Denken
  • Schlaf
  • Selbstwertgefühl

Bei manchen Patienten treten manische oder hypomanische Episoden auch ohne depressive Phasen auf. Patienten mit Hypomanie oder Manie erleben entweder eine vom normalen Niveau abweichende, übertrieben gehobene, euphorische, expansive Stimmung oder Gereiztheit.


Gibt es unterschiedliche Arten der bipolaren Störung?


Die bipolare Störung lässt sich untereilen in die:


  • Bipolar-I-Störung
  • Bipolar-II-Störung

Eine Bipolar-I-Störung ist gekennzeichnet durch ausgeprägte manische Phasen oder Hypomanie und Depressionen. Bei der Bipolar-II-Störung kommt es auch zu Manien und Depressionen, allerdings sind die manischen Phasen wesentlich schwächer ausgeprägt als bei der Bipolar-I-Störung.


Als weitere Form der bipolaren Störungen ist die Zyklothymia abzugrenzen. Bei dieser bipolaren Störung handelt es sich um eine abgeschwächte, chronische Form der Erkrankung. Die Zyklothymia geht mit einer andauernden Instabilität der Stimmung, geprägt durch den Wechsel zwischen leichten depressiven Verstimmungen und gehobenen Stimmungen (Hypomanie), einher. Diese Form der bipolaren Störung lässt sich häufig bei Verwandten von Patienten mit bipolar affektiven Störungen finden und kann sich in Kombination mit ungünstigen Lebensumständen zu einer ausgeprägten bipolar affektiven Störung entwickeln.


Was ist der Unterschied zwischen Hypomanie und Manie?


Bei der Hypomanie als auch Manie kommt es zu Symptomen wie:

  • Gesteigerte Aktivität und motorische Unruhe
  • Rededrang
  • Vermindertes Schlafbedürfnis
  • Ablenkbarkeit und Konzentrationsschwierigkeiten
  • Geisteigerte Libido
  • Leichtsinniges, verantwortungsloses Verhalten, wie beispielsweise übertriebene Geldausgaben oder rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr
  • Gesteigerte Geselligkeit

Im Vergleich zu Phasen der Hypomanie sind die Symptome in der Manie so stark ausgeprägt, dass es in der Folge zum Abbruch der Arbeitsbeschäftigung oder sozialer Ablehnung kommen kann. Zunächst können manische Phasen mit einer Steigerung der Leistungsfähigkeit einhergehen, führen langfristig aber zu Beeinträchtigungen der Lebensführung und zu persönlichem Leid oder Leid des sozialen Umfelds. Bei der Manie treten zusätzlich zu den oben genannten Symptomen weitere Symptome auf, wie beispielsweise:


  • Ideenflucht (gekennzeichnet durch plötzliche gedankliche Sprünge, ständig wechselnde Denkziele, erhöhte Ablenkbarkeit, fehlende Filterung der Gedanken)
  • Subjektives Gefühl des Gedankenrasens
  • Enthemmung, mit unangemessenem Verhalten in der Folge
  • Größenwahn und überhöhte Selbsteinschätzung
  • Sexuelle Taktlosigkeit

Manische Episoden oder bipolar affektive Störungen können auch mit psychotischen Symptomen einhergehen. Psychotische Symptome bedeuten, dass es zu wahnhaftem Erleben kommt (meistens Größenwahn) oder zu Halluzinationen (meistens Stimmenhören). Treten bei bipolaren Störungen während einer manischen Episode psychotische Symptome auf, ist die Differentialdiagnose zwischen Manie und Schizophrenie schwierig.


Was ist Rapid Cycling?


Rapid Cycling ist eine Verlaufsform der bipolaren Störung, bei der es zu mindestens vier Stimmungswechseln im Jahr kommt. Der Begriff stammt aus dem englischen, und bedeutet soviel wie „schnelles Wechseln“.


Stimmungswechsel innerhalb von wenigen Tagen werden als Ultra Rapid Cycling und Stimmungswechsel innerhalb von wenigen Stunden als Ultra-Ultra Rapid Cycling bezeichnet. Patienten, die an einem Rapid-Cycling-Verlauf der bipolaren Störung erkrankt sind, benötigen eine spezielle Therapie mit Stimmungsstabilisatoren und werden daher häufig in Kliniken behandelt. Das Selbsttötungsrisiko ist bei Rapid Cycling erhöht und die Prognose schlechter als bei anderen Verläufen der bipolaren Störung.


Welche Personen neigen zu bipolaren Störungen?

Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einer bipolaren Störung zu erkranken, liegt zwischen einem und fünf Prozent. Frauen und Männer erkranken in etwa gleich häufig an einer bipolaren Störung. Das Ersterkrankungsalter liegt im frühen Erwachsenenalter zwischen dem 18. und 26. Lebensjahr, wobei die Erkrankung bei den meisten Patienten erst im Alter von ca. 30 Jahren erkannt wird.


Personen, die durch biologische Faktoren verletzbarer sind und stressauslösende Situationen erleben, haben ein erhöhtes Risiko an einer bipolaren Störung zu erkranken. Ein biologischer Faktor, der zu einer erhöhten Verletzbarkeit (Vulnerabilität) führen kann, ist beispielsweise eine Sensibilität für Veränderungen des Schlaf-Wach-Zyklus oder zirkadianer Rhythmen.


In Verbindung mit externen auslösenden Faktoren wie beispielsweise Prüfungssituationen, Scheidung, Geburt eines Kindes, Jetlag oder anderen stressauslösenden Situationen geraten Personen, die zu einer bipolaren Störung neigen, leichter aus dem Gleichgewicht. In der Folge entwickeln sich depressive oder (hypo-) manische Symptome. Externe Faktoren, durch die Patienten aus der Balance gebracht werden, müssen nicht immer als negativ erlebt werden. Es kann sich dabei auch um prinzipiell positive Ereignisse handeln, die zu einer Veränderung des Aktivierungssystems führen, wie beispielsweise eine Heirat.


Was hilft bei einer bipolaren Störung?

Psychotherapeutische Verfahren gelten als besonders wirksam zur Behandlung bipolarer Störungen. Vor allem zu Beginn einer Behandlung kann die Kombination aus Psychotherapie und medikamentöser Therapie sinnvoll sein.


Schwere bipolare Störungen lassen sich häufig nicht vollständig heilen, sodass es umso wichtiger ist, die Selbststeuerung der Patienten und den eigenverantwortlichen Umgang mit der Erkrankung zu stärken und das soziale Umfeld mit einzubeziehen.


Die Elektrokrampftherapie ist trotz ihres negativen Images eine der wirksamsten Therapiemethoden zur Behandlung schwerwiegender depressiver und manischer Episoden, vor allem, wenn diese mit psychotischen Symptomen einhergehen. Bei der Elektrokrampftherapie wird unter Narkose ein kontrollierter Krampfanfall im Gehirn ausgelöst. Diese Behandlungsmethode wird immer dann eingesetzt, wenn Patienten therapieresistent gegenüber Medikamenten und Psychotherapie sind, ein hohes Selbsttötungsrisiko besteht oder die bipolare Erkrankung so schwerwiegend ist, dass nicht auf das Eintreten des heilenden Effekts von Psychotherapie oder Medikamenten gewartet werden kann.


Psychotherapeutische Verfahren

Psychotherapeutische Verfahren, die bei bipolaren Störungen eingesetzt werden sind:


  • Verhaltenstherapie
  • Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
  • Psychoanalyse
  • Systemische Therapie
  • Gesprächspsychotherapie nach Rogers
  • Gestalttherapie
  • Familienfokussierte Verhaltenstherapie
  • Interpersonelle und Rhythmustherapie

Medikamente

Medikamente, die zur Behandlung von bipolaren Störungen eingesetzt werden, sind:


  • Stimmungsstabilisierer
    • Lithium
    • Antiepileptika
      • Carbamazepin
      • Valproat
      • Lamotrigin
    • Atypische Neuroleptika
      • Quetiapin
      • Olanzapin
  • Interventionsmedikamente
    • Neuroleptika
    • Antidepressiva
    • Hypnotika
    • Sedativa

Weitere Verfahren, die zur Behandlung von bipolaren Störungen eingesetzt werden sind:


  • Elektrokrampftherapie (EKT)
  • Schlafentzugstherapie

Warum fällt es Patienten mit bipolaren Störungen schwer, die Therapie durchzuhalten oder Medikamente regelmäßig einzunehmen?

Während der Behandlung werden Patienten durch Psychotherapie oder durch das Einwirken von Medikamenten wieder auf ein normales Stimmungsniveau gebracht. Dieses „normale“ Stimmungsniveau wird im Vergleich zu Gefühlen der Hochstimmung, welche Patienten mit bipolaren Störungen in manischen Phasen erleben, anders wahrgenommen, als das bei Gesunden der Fall ist, die solche Phasen nicht kennen. In der Folge erleben sich Patienten während Phasen der objektiv als normal bewerteten Stimmung als depressiv und freudlos, was unangenehm ist und zu schwereren Depressionen führen kann.


Um das gute Gefühl der manischen Episode wiederzuerlangen setzen Patienten mit bipolaren Störungen die Medikamente häufig selbstständig ab oder zeigen eine fehlende Therapiemotivation.


Siehe auch:

Depression
Literatur:

Hautzinger, M., & Meyer, T. D. (2007). Psychotherapie bei bipolaren affektiven Störungen. Der Nervenarzt, 78(11), 1248-1260.


Jacobi, F., Wittchen, H. U., Hölting, C., Höfler, M., Pfister, H., Müller, N., & Lieb, R. (2004). Prevalence, co-morbidity and correlates of mental disorders in the general population: results from the German Health Interview and Examination Survey (GHS). Psychological medicine, 34(04), 597-611.


Laux, G. (2007). Affektive Störungen. In Medizinische Therapie 2007| 2008 (pp. 1497-1507). Springer Berlin Heidelberg.


Wagner, P., & Bräunig, P. (2004). Psychoedukation bei bipolaren Störungen: ein Therapiemanual für Gruppen; mit 76 Kopiervorlagen. Schattauer Verlag.


Von: World Health Organization. (1992). The ICD-10 classification of mental and behavioural disorders: clinical descriptions and diagnostic guidelines. Geneva: World Health Organization.


http://dgbs.de/bipolare-stoerung/therapie/nicht-medikamentose-therapien/ (abgerufen 25.02.16)




Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Hinweise und Beschreibungen zum Thema Bipolare Störung. Er eignet sich nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung und kann einen Arztbesuch auf keinen Fall ersetzen.

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