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Betroffene merken oft nichts vom Vorhofflimmern, andere spüren zu schnellen oder zu langsamen Puls




Vorhofflimmern ist insbesondere im höheren Alter eine sehr häufige Herzrhythmusstörung. Etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Oft wird die gestörte Reizweiterleitung in den Herzvorhöfen nur zufällig erkannt, sie kann jedoch auch zu Herzstolpern und Schlaganfällen führen. Sowohl Medikamente als auch elektrische Behandlungen werden eingesetzt, um das Vorhofflimmern zu kontrollieren. Der folgende Text erklärt, wie Vorhofflimmern entsteht, was die Folgen sein können und welche Therapiemöglichkeiten es gibt.


Wie läuft ein normaler Herzschlag ab?


Das menschliche Herz besteht aus dem rechten und dem linken Vorhof und der rechten und der linken Kammer. Normalerweise geht das Signal für einen Herzschlag vom Sinusknoten im rechten Vorhof aus. Im Sinusknoten sitzen Zellen, die selbstständig etwa 60 bis 100 Mal pro Minute einen Impuls aussenden (Sinusrhythmus). Von dort breitet sich die Erregung über beide Vorhöfe aus und führt zu deren Kontraktion. Danach läuft die Erregung durch den sogenannten AV-Knoten und gelangt auf diesem Weg zu den Herzkammern. Wenn beide Herzkammern von dem Erregungssignal erreicht wurden, kontrahieren sie sich ebenfalls und pumpen das enthaltene Blut in die Lunge und in den Körperkreislauf.


Was ist beim Vorhofflimmern verändert?


Beim Vorhofflimmern gibt nicht mehr der Sinusknoten ein klares Signal für den Herzschlag vor, sondern es kommt zu zusätzlichen Erregungen. Das bedeutet, dass die Vorhöfe daueraktiv sind und die Erregung unkoordiniert durch den Herzmuskel fließt. Dadurch können die Vorhöfe bis zu 600 Mal pro Minute schlagen. Meist sind jedoch die Erregung und damit auch die Kontraktionen so unregelmäßig, dass es gar nicht mehr möglich ist, eine Frequenz der Vorhöfe anzugeben. Da der AV-Knoten zwischen den Vorhöfen und den Herzkammern wie ein Filter wirkt, überträgt sich jedoch die schnelle Frequenz der Vorhöfe nicht unbedingt auf die Herzkammern und damit den Herzschlag. Es kann also sein, dass Vorhofflimmern besteht, aber der Puls trotzdem nur bei 60 bis 100 Schlägen pro Minute liegt.


Vorhofflimmern kann in unterschiedlichen Mustern auftreten. Manche Betroffene haben nur gelegentlich Attacken von Vorhofflimmern, andere wiederum haben ein ständiges Vorhofflimmern. Zusätzlich unterscheidet man, ob das Flimmern durch therapeutische Maßnahmen für immer oder für einen bestimmten Zeitraum verschwindet, oder trotz der Therapie bestehen bleibt.


Wie entsteht Vorhofflimmern?


Viele verschiedene Ursachen können zu Vorhofflimmern führen; oft bleibt die letztliche Ursache ungeklärt. In vielen Fällen gibt es jedoch sogenannte Ektopien, also Stellen im Vorhof, die als Konkurrenz zum Sinusknoten elektrische Signale an die Vorhöfe abgeben und so zu den zusätzlichen Erregungen führen. Oft sind diese zusätzlichen Stellen am Eingang der Pulmonalvenen im linken Vorhof zu finden. Das Risiko, an Vorhofflimmern zu erkranken, steigt mit der Größe der Vorhöfe. Wenn also beispielsweise bei einer Herzschwäche, Klappenfehlern oder durch einen lange bestehenden Bluthochdruck die Herzwände gedehnt werden, sollte die erhöhte Flimmer-Gefahr beachtet werden. Ebenfalls zu einer erhöhten Gefahr führen die koronare Herzkrankheit, Schilddrüsenerkrankungen, Alkoholmissbrauch und eine Veränderung der chemischen Stoffe (Elektrolyte), wie Kalium, im Blut.


Welche Folgen hat Vorhofflimmern?


Vorhofflimmern kann einen Einfluss auf die Herzfrequenz haben. Je nachdem, wie gut der AV-Knoten die Erregungen filtern kann, können sowohl zu langsame als auch zu schnelle Herzfrequenzen zustande kommen. In beiden Szenarien kann es passieren, dass nicht genug Blut durch das Herz in den Körper gepumpt wird und beispielsweise Schwindel oder Ohnmacht die Folge sein können. Springt das Herz alleine wieder in einen normalen Sinusrhythmus, kann es in manchen Fällen zwischen dem Vorhofflimmern und dem Sinusrhythmus zu einer kurzen Pause kommen, in der das Herz nicht schlägt und die ebenfalls mit Schwindel oder Ohnmacht einhergehen kann.


Eine weitere Komplikation von Vorhofflimmern ist die Bildung von Blutgerinnseln im Vorhof und das damit verbundene erhöhte Schlaganfallrisiko. Normalerweise wird das Blut regelrecht durch die Vorhöfe in die Herzkammern geleitet. Wenn nun jedoch die Vorhöfe beim Flimmern unkoordiniert kontrahieren, wird das Blut verwirbelt. Dies erhöht die Gefahr, dass sich im Vorhof Blutgerinnsel bilden. Diese Gerinnsel können durch die linke Herzkammer über die Aorta bis ins Gehirn gespült werden und dort einen Schlaganfall auslösen. Seltener können Gerinnsel in die Milz- oder Nierengefäße gelangen.


Wie äußert sich Vorhofflimmern?


In vielen Fällen merken Betroffene nicht, dass bei ihnen ein Vorhofflimmern vorliegt. Andere spüren den zu schnellen oder zu langsamen Puls. Da der AV-Knoten das Flimmern nicht regelmäßig filtert, ist der Puls zudem in den allermeisten Fällen unregelmäßig. Man spricht dann von einer Arrhythmia absoluta. Für manche Betroffene fühlt es sich so an, als würde das Herz stolpern oder galoppieren. Oft fällt dies insbesondere dann auf, wenn das Vorhofflimmern nicht dauerhaft besteht, sondern plötzlich einsetzt. Andere Symptome können Schwindel und Ohnmacht sein. In extremen Fällen wird Vorhofflimmern erst dann diagnostiziert, wenn bereits ein Schlaganfall oder ein anderer Arterienverschluss entstanden ist.


Wie wird Vorhofflimmern diagnostiziert?


Liegt das Vorhofflimmern aktuell vor, kann ein einfaches Elektrokardiogramm (EKG), also eine Ableitung der Herzströme, die Diagnose Vorhofflimmern erlauben. Kommt das Flimmern nur gelegentlich vor, muss eventuell über 24 bis 48 Stunden während eines Langzeit-EKGs geschaut werden, ob Flimmerepisoden detektiert werden können.


Besteht Vorhofflimmern oder liegt ein Schlaganfall vor, sollte außerdem das Herz auf bereits entstandene Blutgerinnsel untersucht werden. Dafür wird eine Ultraschalluntersuchung des Herzens durchgeführt. Um insbesondere die Vorhöfe besser sehen zu können, wird für die Untersuchung ein Ultraschallkopf in die Speiseröhre eingeführt (sogenannte Transösophageale Echokardiographie, TEE oder Schluck-Echo). Auch bevor eine Behandlung des Flimmerns begonnen werden soll, wird diese Untersuchung empfohlen.


Wie wird Vorhofflimmern behandelt?


Es gibt viele verschiedene Therapieansätze für Vorhofflimmern. Manchen sorgen nur für eine Reduktion der Komplikationen, während andere das Verschwinden des Flimmerns zum Ziel haben. Liegt durch das Flimmern ein zu schneller Herzschlag vor, wird dem meistens mit Betablockern entgegengewirkt. Diese Medikamente bremsen den Puls, führen jedoch auch zu einer weniger flexiblen Anpassbarkeit an anstrengendere Situationen wie Sport oder andere körperliche Belastungen.


Je nachdem, ob bereits andere Risiken für einen Schlaganfall vorliegen, wie das Alter oder Arteriosklerose, wird in vielen Fällen entschieden, Betroffenen mit Vorhofflimmern einen Blutverdünner zu verschreiben. Dafür kommen traditionelle Medikamente wie Marcumar oder Falithrom in Frage, wie auch neuere Tabletten, die einen ähnlichen Effekt haben. Mit diesen Medikamenten geht insgesamt ein größeres Blutungsrisiko einher, was insbesondere bei Stürzen und vor Operationen beachtet werden muss.


Soll das Vorhofflimmern unterbrochen werden, gibt es sowohl medikamentöse als auch mechanische Therapiemöglichkeiten. Das Medikament Amiodaron oder andere Antiarrhythmika werden beispielsweise in der Hoffnung eingesetzt, dass der Herzrhythmus wieder in den normalen Sinusrhythmus springt. Eine andere Möglichkeit ist die Elektrokardioversion. Vergleichbar mit einer Defibrillation bei einem Herzstillstand wird hier durch zwei Elektroden in Kurznarkose ein Stromreiz durch das Herz geleitet, was einen „Neustart“ zur Folge hat und damit wieder einen Sinusrhythmus hervorbringen soll. Besteht das Vorhofflimmern bereits länger als ein Jahr, wird meistens keine Umstellung mehr versucht.


Bringt die Elektrokardioversion nicht den erwünschten Effekt, oder springt der Rhythmus nach einer erfolgreichen Konversion wieder zurück ins Vorhofflimmern, kann sich auf die Suche nach dem Ursprungsherd des Flimmerns gemacht werden. Dafür gibt es unterschiedliche elektrophysiologische Behandlungen. Wie bei einer Herzkatheteruntersuchung wird durch ein Gefäß in der Leiste ein Draht in die Blutgefäße eingeführt und bis ins Herz geschoben. Dort wird dann entweder die Weiterleitung von Impulsen aus den Pulmonalvenen unterbrochen (Pulmonalvenenisolation) oder durch Testen verschiedener Areale im Vorhof die Stelle gefunden und verödet, die die zusätzlichen Signale aussendet.


Kann Vorhofflimmern nach einer Behandlung wieder auftreten?


Auch wenn meistens die initiale Kardioversion erfolgreich ist, ist ein erneuter Wechsel in das Vorhofflimmern nach Tagen oder Wochen keine Seltenheit. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Vorhöfe bereits strukturell verändert sind, beispielsweise durch Bluthochdruck oder einen Klappenfehler. Aus diesem Grund sollte auch nach einer erfolgreichen Behandlung weiterhin eine medikamentöse Therapie erfolgen. Die elektrophysiologischen Verfahren versprechen jedoch langfristigere Erfolge und kommen deshalb häufig nach einer erfolglosen Kardioversion zum Einsatz.


Was ist der Unterschied zwischen Vorhofflimmern und Vorhofflattern?

Vorhofflattern ist eine ähnliche Rhythmusstörung wie das Vorhofflimmern, bei der jedoch die Vorhöfe langsamer als beim Flimmern schlagen, mit einer Frequenz von bis zu 450 Schlägen pro Minute. Oft ist hier der AV-Knoten ebenfalls als Filter aktiv, es kommt jedoch häufiger zu sehr hohen Herzfrequenzen, sogenannten Tachykardien, die die Patienten als Herzrasen wahrnehmen. Im Gegensatz zum Vorhofflimmern bleibt der Puls beim Flattern regelmäßig. Die Therapie ähnelt der des Vorhofflimmerns.


Was ist der Unterschied zwischen Vorhofflimmern und Kammerflimmern?

Im Gegensatz zum Vorhofflimmern verliert beim Kammerflimmern die Herzkammer ihren Pump-Rhythmus. Dies ist sehr viel gefährlicher, da nun kein Blut mehr koordiniert in das Gehirn und den Körper gepumpt werden kann. Menschen mit Kammerflimmern sind deshalb in der Regel bewusstlos und in Lebensgefahr. Kammerflimmern sollte schnellstmöglich mit Herz-Lungen-Wiederbelebungsmaßnahmen, Defibrillationen, Adrenalin und Amiodaron behandelt werden.


Siehe auch:

Schlaganfall
Quellen:

European Society of Cardiology: Leitlinien für das Management von Vorhofflimmern. Online unter http://leitlinien.dgk.org/files/2012_Pocket-Leitlinien_Vorhofflimmern.pdf, abgerufen am 01.04.2016


A. J. Camm. The changing circumstance of atrial fibrillation - progress towards precision medicine. J Intern Med, 2016 Mar 30. doi: 10.1111/joim.12478. [Epub ahead of print]. Online unter http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/joim.12478/pdf, abgerufen am 01.04.2016


A. A. Elesber et al. Relapse and mortality following cardioversion of new-onset vs. recurrent atrial fibrillation and atrial flutter in the elderly. European heart journal, 2006, 27. Jg., Nr. 7, S. 854-860. Online unter http://eurheartj.oxfordjournals.org/content/ehj/27/7/854.full.pdf, abgerufen am 01.04.2016


K. Vaidya et al. Pulmonary Vein Isolation Compared to Rate Control in Patients with Atrial Fibrillation: A Systematic Review and Meta-analysis. Heart, Lung and Circulation, 2015, 24. Jg., Nr. 8, S. 744-752.




Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel beinhaltet lediglich allgemeine Hinweise und Beschreibungen zum Thema Vorhofflimmern. Er eignet sich nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung und kann einen Arztbesuch auf keinen Fall ersetzen.

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